Höttges: Mobilfunk-Lizenzen verlängern, nicht versteigern
In den Hochwassergebieten läuft derzeit die meiste Kommunikation über Mobilfunk, z.B. der Telekom.
Foto: Picture-Alliance / dpa
Bei der Vorstellung seiner Geschäftszahlen ging Telekom-Vorstand Tim Höttges auf die aktuelle Flutkatastrophe ein.
"Wir unterstützen die Opfer der Flutkatastrophe mit allen Kräften" betonte Höttges. Die erste Priorität hatte das Mobilfunknetz, wo zunächst 300 Basisstationen ausgefallen waren. "Bereits am 23.7. war das gesamte Mobilfunknetz wieder instandgesetzt."
Kapazität erhöht
In den Hochwassergebieten läuft derzeit die meiste Kommunikation über Mobilfunk, z.B. der Telekom.
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Die Telekom hat inzwischen die sogenannten "Overlay Infrastrukturen" (Vermittlungsstellen, Server) ausgebaut und die Kapazität erhöht, weil aktuell viel "Festnetz über den Mobilfunk läuft".
"Die Menschen vor Ort brauchen Netze, Endgeräte und Zugang zum Strom", betonte Höttges. 4900 Handys wurden an Betroffene ausgegeben, 5000 Powerbanks immer wieder neu aufgeladen und 2500 kostenlose Schnellstarterpakete (Handy mit SIM-Karte) verteilt.
Service Teams mit dem Rucksack unterwegs
"Die Leute vom Telekom-Service gehen mit Rucksäcken durch die betroffene Orten und schauen, wo geholfen werden kann. Sie sind bis heute unterwegs, um zu helfen. Wichtig ist die Hilfe für Betroffene vor Ort, die Telekom ist da."
Mobilfunk verstärkt - Festnetz kann dauern
Nachdem der Mobilfunk wieder komplett am Start ist und teilweise auch verstärkt wurde, wird es beim Festnetz in Teilen länger dauern. Schließlich wurden komplette Straßen und Brücken weggerissen und damit sind auch die Leitungen weg. "Kabel liegen normalerweise 1,20 m tief unter dem Fluss oder tief in der Straße."
Zwei Drittel der Festnetz-Infrastruktur oder rund 75.000 Haushalte seien wieder am Netz. Es werde Monate dauern, bis die Telekom wieder alle Haushalte werde versorgen können. In Zusammenarbeit mit dem Technischen Hilfswerk (THW) wurden provisorische Leitungen gelegt. Höttges dankte allen Helfern vor Ort und insbesondere dem THW für die großartige Arbeit.
30.000 Anschlüsse fehlen noch - Fachkräfte im Dauereinsatz
Bei den Leitungen zu den fehlenden 30.000 Haushalten gebe es "enorme Schäden" und dafür werden noch weitere Ressourcen gebraucht. Die Telekom hat 1500 Fachkräfte vor Ort, im Innendienst werden die Vorgänge von 500 Menschen betreut und bearbeitet. 130 Service-Mitarbeiter sind an speziellen Hotlines nur für die Flutopfer im Einsatz und hunderte Freiwillige helfen vor Ort, die Folgen der Flut zu mildern.
Auch Telekom-Mitarbeiter selbst betroffen
Schließlich wohnen in den Gebieten auch viele Mitarbeiter der Telekom, die selbst vom Hochwasser betroffen sind. Hier wurde "schnell und unbürokratisch geholfen, durch Sonderurlaube, Freistellungen bis hin zur Bereitstellung von Unterkünften", berichtete Höttges. Er dankte persönlich allen Beteiligten für ihren Einsatz.
"Die Telekom wird weiter das tun, was sie am besten kann, Netze aufbauen, Menschen zu verbinden, damit wieder alle #dabei sein können."
Gesamtschaden weit über 100 Millionen
Telekom Chef Höttges (links) plädiert dafür bestehende Frequenz-Lizenzen zu verlängern. Rechts Finanzchef Christian Illek.
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Wie hoch die Schäden alleine an der Telekom-Infrastruktur insgesamt seien, konnte CFO Christian Illek noch nicht beziffern, "irgendwo nördlich von 100 Millionen", aber man habe schon vorher mit Versicherungen Vorsorge getroffen. Im Augenblick arbeite die Telekom "mit Macht an der Behebung der Schäden".
National Roaming in den Flutgebieten?
Der Idee eines nationalen Roamings in den Flutgebieten erteilte Höttges eine Absage: "Bei National Roaming wären alle Mobilfunk-Kunden auf die Telekom-Infrastruktur gegangen. Das hätte zu einer Überlastung geführt. Höttges deutlich: "Wir brauchen alternative Infrastrukturen. Jeder (Anbieter) muss selbst sehen, dass er es wieder hinbekommt." Die Telekom möchte erst einmal ihre eigenen Kunden wieder bedienen. Anders hätten die Kapazitäten nicht ausgereicht.
Welche Auswirkungen hat der 4. Netzbetreiber?
teltarif.de wollte wissen, wie Telekom-Chef Höttges den vierten Netzbetreiber und die kommende Frequenzversteigerung sieht. Erst kürzlich hatte Vodafone-CEO Hannes Ametsreiter damit "gedroht", dass 4 Millionen Mobilfunk-Kunden im Funkloch landen könnten, wenn ein etablierter Netzbetreiber seine Lizenzen nicht verlängern oder neu ersteigern könnte.
Indirektes Lob des Neulings
Dazu holte Höttges etwas aus: "Wir haben derzeit in Deutschland drei Netze und es ist faszinierend zu sehen, wie schnell der 5G-Ausbau vorangeht, wie wir es vorher noch nicht gesehen haben. Die Telekom ist vorne, unser Anspruch ist Marktführerschaft und die Technologieführerschaft."
Er verfolge aufmerksam, was 1&1 gemacht habe und habe "hohen Respekt vor der unternehmerischen Entscheidung" von 1&1, als Netzbetreiber einzusteigen. "Die Disaggregation des bisherigen Netzes, der Neuaufbau eines Core-Netzes verdient meinen Respekt, die Zusammenarbeit mit Rakuten ist eine sehr gute Entscheidung, denn Rakuten ist einer der führenden Anbieter dieser Technik auf der Welt."
Zu schwache Anforderungen der Lizenz?
Man könne darüber streiten, ob es sinnvoll sei, dass die Netzagentur von 1&1 nur 1000 Antennen verlangt habe. Er finde, dass 1&1 schon vorher noch mehr eigene Infrastruktur hätte bauen können, aber das sei ja nicht sein Problem, aber "Infrastruktur muss auch von den anderen gebaut werden".
5G an die Milchkanne
Für Höttges ist das Ziel klar: "Wir wollen flächendeckendes Netz für 4G und 5G, wir wollen überall verfügbar sein, auch für die Milchkanne - welches Geld soll dabei durch Lizenzen abgeschöpft werden?"
Indirekt stimmte Höttges seinem Kollegen Ametsreiter zu: "Wenn jemand die Lizenz verlieren würde, kann er seine heutigen Kunden nicht mehr bedienen."
Aktuelle Lizenzen verlängern
Höttges weiter: "Warum kann man diese Frequenzen nicht kostenlos verlängern?"
Die Mittel, die der Staat einnehmen würde, sollten als Bezugsgröße genommen werden, schlug er vor. Die Lizenzinhaber müssten sich dann zum Ausbau verpflichten - zum Wohle der Kunden und für mehr Breitband-Versorgung. Das bedeute auch, mehr Antennen zu bauen.
Höttges unterstützt den Appell seiner Wettbewerber, nicht wieder über teure Lizenzen eine künstliche Verknappung der Frequenzen herbeizuführen.
Wenn ein Kunde seinen Festnetzanschluss zu einem anderen Anbieter umziehen lassen will, gilt es einige Hürden zu überwinden. Man kann einiges falsch machen - und man muss hartnäckig bleiben.