Editorial: Zahlen wird teurer
Sind die Tage der deutschen Girocard als Bankenzahlungskarte endgültig gezählt?
Foto: Picture Alliance / dpa
Die Girokarte (früher: ec-Karte) hat einen Vorteil und einen Nachteil:
Sie ist in der Abwicklung viel günstiger als Kreditkarten. Sie ist aber
zugleich im Gegensatz zu Kreditkarten außerhalb Deutschlands nur limitiert
einsetzbar. Das führt dann gleich in
zweierlei Hinsicht zu Ärger und Unverständnis: Zum einen, wenn Besucher
aus dem Ausland sehen, wie die Deutschen alle im Laden mit (Giro-)Karte
zahlen, ihre (Kredit-)Karte aber nicht angenommen wird. Oder wenn Deutsche
im Ausland plötzlich feststellen müssen, dass ihre Karte nicht
funktioniert.
Selbst in Deutschland gibt es viele Dienstleister, die Girokarten nicht oder nur eingeschränkt annehmen, allen voran Mietwagenunternehmen. Auch Online-Shopping ist mit Girokarte (was dann faktisch Lastschrift vom Konto bedeutet) bei vielen Shops im Vergleich zu Kreditkarten deutlich eingeschränkt. Ein Großteil der Bankkunden besorgt sich daher zwei Karten: Eine Girokarte und eine Kreditkarte. Entsprechend mehr Karten beulen dann das Portmonee auf. Zudem zahlt man dann für beide Karten auch Gebühren. Zwar gibt es zahlreiche kostenlose Prepaid-Kreditkarten. Diese verstecken ihre Kosten dann aber in sehr hohen Nutzungsgebühren.
Aus dem Dilemma gibt es auch keinen Ausweg. Anderen Ländern kann man nicht das europäische bzw. letztendlich sogar überwiegend deutsche Girokarten-System aufzwängen. Kreditkarten sind fast überall akzeptiert, aber mit vergleichsweise hohen Provisionen verbunden, die die Händler bei jeder Kreditkartenzahlung akzeptieren müssen und die sie letztendlich auf den Preis aufschlagen.
Provisionen auf Abwegen
Sind die Tage der deutschen Girocard als Bankenzahlungskarte endgültig gezählt?
Foto: Picture Alliance / dpa
Vor 40 oder 50 Jahren, als die Kreditkarten in
Mode kamen, waren die hohen Provisionen sicher durch den hohen Aufwand
der internationalen Kommunikation und durch den nicht gerade geringen
Betrugsanteil bei der manuellen Abrechnung mittels Ritsch-Ratsch-Maschine
gerechtfertigt. Heutzutage sind Kreditkartentransaktionen dank
kryptografischer Verfahren zur Kartenprüfung und ausgefeilter Algorithmen
zur Betrugserkennung sehr sicher. Dennoch gibt es weiterhin hohe
Provisionen. Ein großer Teil davon geht als Kickback sowohl an die
Partnerbanken, die die Händler anbinden, als auch an die kartenausgebenden
Banken, die damit Kunden locken. Bei der Lufthansa-Kreditkarte kann man
mit diesem Kickback Meilen sammeln, bei den Karten von crypto.com und
Wirex bekommt man Bitcoin oder andere Token gutgeschrieben.
Die niederländische Online-Bank Bunq investiert die Provisionen hingegen
in den Klimaschutz und pflanzt für je 100 Euro Kartenumsatz einen
Baum.
Dass das undurchsichtige Geschäft mit den Kreditkartenprovisionen auch zwielichtige Gestalten anzieht, sollte zumindest in Deutschland spätestens seit dem Wirecard-Skandal jedermann bekannt sein. Vieles spräche daher dafür, von staatlicher Seite aus den Sumpf der Kreditkartenprovisionen nach und nach auszutrocknen. Tatsächlich gibt es auch für bestimmte Kartentransaktionen innerhalb der EU für einen Teil der Gebühren (nämlich das Interbankenentgelt) bereits festgeschriebene Höchstprovisionen. Nur kommen da noch weitere erhebliche Gebühren für die Händler hinzu, und es wird sicher nicht gelingen, die genannten Gebühren auch außerhalb Europas festzuschreiben.
Bequemlichkeit siegt
Die hohen Provisionseinnahmen ermöglichen es den Kreditkartenunternehmen, viel Geld für Marketing auszugeben. So werden Händlern mit nur wenigen Transaktionen die Endgeräte subventioniert, um die Zahl der Akzeptanzstellen immer weiter zu erhöhen und die Verbraucher mit der Bequemlichkeit zu locken: Außer bei den (margenengen) Händlern für Waren des täglichen Bedarfs funktionieren Kreditkarten eben inzwischen fast überall. Zugleich wird ausgefeilte Lobbyarbeit betrieben, damit die Provisionen nicht zu oft als Ärgernis auf der politischen Tagesordnung stehen.
Im Ergebnis wird sich der weitere Siegeszug der Kreditkarten kaum verhindern lassen. Sollten in der Folge davon die genannten Provisionsobergrenzen von der Politik weiter gesenkt werden, würden zwar die Kosten (die letztendlich über höhere Preise die Verbraucher bezahlen) sinken, aber dadurch gleichzeitig der Siegeszug der bequemen Karten wahrscheinlich noch beschleunigt. Es ist daher nur konsequent, dass erste Onlinebanken die Girokarte bereits abgeschafft haben und nun auch Filialbanken diesen Schritt machen.