Streaming: Joyn legt Österreich-Start auf Eis
Am "Coming soon" von Joyn Österreich gibt es mittlerweile erhebliche Zweifel
Screenshot: Michael Fuhr
In der schnelllebigen Medienbranche haben Ankündigungen meistens eine relativ kurze Halbwertzeit. Nicht selten werden große Projekte vorgestellt, die dann nur mit erheblicher Verzögerung oder sogar gar nicht an den Start gehen. Jüngste Beispiele hierfür sind der Rückzug des US-Medienkonzerns Comcast beim paneuropäischen Nachrichtensender Euronews bzw. der ebenfalls geplante und nicht realisierte Nachrichtensender NBC Sky World News.
Beim Streaming-Dienst Joyn von ProSiebenSat.1 und Discovery geht die Entwicklung womöglich in eine ähnliche Richtung. Zumindest der geplante Start in Österreich steht laut Fachmedien kurzfristig zur Disposition.
Strategiewechsel durch Pandemie?
Am "Coming soon" von Joyn Österreich gibt es mittlerweile erhebliche Zweifel
Screenshot: Michael Fuhr
Corona hat zweifellos seit 2020 vielen Unternehmen einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht. Fernsehsender und Streaming-Dienste leiden an Einschränkungen der Produktionskapazitäten, viele Film- und Serienprojekte liegen schlicht auf Eis. Hinzu kommt noch, dass Werbekunden aus wirtschaftlichen Gründen ihr Budget herunterfahren und kein Personal vor Ort einsetzbar ist. All diese Faktoren spielen natürlich beim Aufbau eines neuen Streaming-Dienstes im Ausland eine wichtige Rolle.
Das Medienmagazin DWDL berichtet mit Verweis auf eine Joyn-Unternehmenssprecherin, dass es in "diesen dynamischen Zeiten momentan schwer sei, einen Ausblick zu geben". Ziel sei jedoch weiterhin, die lokale Streaming-Plattform Nummer Eins in Deutschland zu werden. Besonders viel Aussagekraft hat das natürlich nicht, denn welcher Streaming-Dienst möchte nicht Nummer Eins in Deutschland werden? Die entscheidende Frage ist, wie ernst man dieses Ziel in der Chefetage nimmt und wie viel Geld man in welchem Zeitraum bereit ist, dafür in die Hand zu nehmen.
Weniger Enthusiasmus für Streaming
Grundsätzlich ist Joyn mit vielen Vorschusslorbeeren an den Start gegangen. Geplant war ein deutsches "Hulu", also eine Plattform, auf der sich neben ProSiebenSat.1 auch andere deutsche Medienkonzerne, wie die RTL-Gruppe und öffentlich-rechtliche Sender mit ihren Inhalten versammeln sollen. Die Ziele waren also in der Tat hochgesteckt, in Deutschland wollte man die Kräfte gegen amerikanische Streamer bündeln. Soweit zum Plan des ehemaligen ProSiebenSat.1-Chefs Max Conze.
Das allerdings war schon der erste Knackpunkt, denn vor allem RTL wurde mit Joyn nicht so richtig warm. Vielmehr wollte man TVNOW als eigenes Streaming-Projekt auf die Beine stellen. Bis heute sind die RTL-Sender bei Joyn nicht an Bord, was dem Erfolg des Angebots zweifelsohne einen kräftigen Dämpfer versetzte. Darüber hinaus gab es zwischenzeitlich einen Wechsel im Chefsessel von ProSiebenSat.1: Der neue Konzernchef Rainer Beaujean sieht das Thema Streaming differenzierter als sein Vorgänger und legt den Fokus wieder stärker auf die Kernkompetenzen der Sendergruppe.
Was plant Discovery?
Wie es mit Joyn weitergeht, hängt aber letztendlich nicht nur von ProSiebenSat.1 ab. Im Joint Venture hat natürlich auch US-Partner Discovery Networks ein Wörtchen mitzureden. Und genau dort scheint das Interesse an Joyn zumindest aktuell nicht mehr den höchsten Stellenwert zu genießen. Auf globaler Ebene arbeitet Discovery derzeit an seinem eigenen Streaming-Dienst Discovery+. Zwar ist dieser vor allem auf non-fiktionale Inhalte fokussiert und damit keine direkte Konkurrenz zu Joyn, was allerdings nicht so bleiben muss.
Zumindest in Deutschland erweitert Discovery außerdem mit dem Einstieg bei Tele 5 nun auch sein Portfolio im Bereich Entertainment, um für größere Werbezielgruppen interessant zu werden. Sollte Discovery sich jedoch aus Joyn zurückziehen, läge die Verantwortung allein bei ProSiebenSat.1. Dass man die ausfallenden Kosten stemmt und gleichzeitig noch eine internationale Expansion nach Österreich vorantreibt, erscheint aktuell dann doch eher unwahrscheinlich, zumal auch die eigene Zukunft der Sendergruppe noch unklar ist.
Geschäftsführerin Katja Hofem geht darüber hinasu bei Joyn von Bord.