Neue TV-Gebühr: Nebenkostenprivileg durch die Hintertür?
Die im Keller des Wohnhauses verbaute Technik: Von der Wohnung zum Übergabepunkt.
Foto: teltarif.de
Viele Mieter fiebern dem Ende des Nebenkostenprivilegs entgegen, wenn ab Juli die Kosten für den TV-Kabelanschluss nicht mehr auf die Mietnebenkosten umgelegt werden dürfen. Doch nun stellt sich die Frage, ob damit wirklich die große Freiheit ausbricht, beispielsweise dann, wenn der Bewohner zwar Internet und Telefon über das TV-Kabel beziehen will, aber kein Fernsehen.
Denn nach wie vor sitzen die Kabel-Betreiber und Inhaber der TV-Kabelnetze am längeren Hebel - und nutzen diesen auch, zum Teil mit neuen Gebühren oder der Drohung, den Anschluss abzuklemmen. Droht nun ein neues Nebenkostenprivileg durch die Hintertür? Das Stichwort heißt: Netzebene 4.
Netzebenen und Eigentümerstruktur in Kürze
Das aktuell auftretende Problem geht auf die Struktur der TV-Kabelnetze mit der Aufteilung in verschiedene Netzebenen und auf die Liberalisierung der TV-Kabelnetze zurück. Als die Telekom das TV-Kabelnetz abgeben musste, gab es plötzlich ganz viele neue Eigentümer - und zwar nicht nur die eigentlichen Netzbetreiber.
Die im Keller des Wohnhauses verbaute Technik: Von der Wohnung zum Übergabepunkt.
Foto: teltarif.de
In einem separaten Ratgeber erläutern wir, was es mit den Netzebenen 3 und 4 im Kabelnetz auf sich hat, die in diesem Fall relevant sind. Die Netzebene 3 bildet das TV-Kabelnetz "auf der Straße" bis zum Hausübergabepunkt/HÜP im Keller, das von Unternehmen wie Vodafone oder Tele Columbus/Pyur betrieben wird. Die Netzebene 4 reicht vom Hausübergabepunkt/HÜP im Keller bis zur TV-Kabeldose in den einzelnen Wohnungen.
Spätestens mit der Liberalisierung des Kabelnetzes ist die Netzebene 4, die sich innerhalb des Hauses befindet, in der Regel an den Hauseigentümer übergegangen. Rein theoretisch kann die Netzebene 4 auch von einem Netzebene-3-Inhaber betrieben werden. Sehr viele Hauseigentümer haben den Betrieb der Netzebene 4 aber inzwischen an externe Betreiber ausgelagert, was dazu führt, dass es vermutlich hunderte bis tausende NE4-Betreiber in Deutschland gibt. Und diese melden sich nun auch bei der Abschaffung des Nebenkostenprivilegs zu Wort.
Zwingend TV für Internet per Kabel?
teltarif.de wurde inzwischen von mehreren Fällen in Zusammenhang mit der Abschaffung des Nebenkostenprivilegs berichtet. Dabei geht es beispielsweise um die NE4-Betreiber "Infocity Rostock" und "Rehnig Group": Diese bekommen - zumindest das Internet-Signal - vom NE3-Betreiber Vodafone. Das bedeutet: Die Verbraucher schließen den TV-Vertrag über den NE4-Betreiber ab, das Telefon- und Internet-Signal kommt jedoch von Vodafone.
Im Rahmen der Abschaffung des Nebenkostenprivilegs erfuhr teltarif.de von zwei Fällen, bei denen die NE4-Betreiber einfach sagen: Ohne TV-Vertrag ist kein Internet möglich. Bei Infocity Rostock soll eine Verbraucherin tatsächlich "abgeklemmt" worden sein - sie konnte erst nach dem Abschluss eines TV-Vertrags bei Infocity Rostock den Internetanschluss von Vodafone über das TV-Kabel wieder nutzen.
Die Fälle sind dahingehend interessant, da ein Vermieter eigentlich dauerhaft gewährleisten muss, dass die Wohnung mit Telefon und Internet versorgt wird, wenn beim Einzug eine entsprechende Dose vorhanden war. Eine Baugenossenschaft in Rostock schreibt dazu auf ihrer Webseite:
Ab 1. Januar 2024 wird der Kabelanschluss von Infocity Rostock nicht mehr durch die Baugenossenschaft zur Verfügung gestellt. Er ist dann auch nicht mehr in der Betriebskostenabrechnung enthalten. Sie benötigen ab Januar 2024 einen eigenen Kabelanschlussvertrag von Infocity Rostock, wenn Sie den Kabelanschluss weiter wie bisher nutzen möchten. Sie benötigen den Vertrag auch dann, wenn Sie nicht fernsehen, ABER einen anderen Dienst aus der Kabelanschlussdose nutzen, z. B. den Internetanschluss über Kabel von Vodafone oder o2 oder Pay-TV von Sky.
Leser soll 10 Euro Durchleitungsgebühr zahlen
Momentan ist es juristisch noch völlig unklar, ob das erlaubt ist. Denn die Alternative zum kompletten Abklemmen des TV-Kabelanschlusses besteht offenbar darin, dass die NE4-Betreiber eine "Durchleitungsgebühr" vom Kunden verlangen, um das Internet- und Telefonsignal durch die Netzebene 4 zu leiten. Ein teltarif.de-Leser berichtet gegenüber unserer Redaktion:
Viele Wohnungsbetreiber haben [...] die Rechte am Kabelnetz Drittfirmen überlassen, und durch Verträge haben sie jetzt die Möglichkeit, die Leitungen für sich auszubeuten. Ich kannte es bisher nur, dass für die letzte Meile die Telekom oder besser gesagt der Eigentümer der Leitungen eine Durchleitungsgebühr verlangen konnte, die aber reguliert wurde, Stichwort freier Wettbewerb. Nun haben wir einen weiteren Anbieter auf dem Segment NE4 der zwischengeschaltet wird, also hausintern. Ich habe keine Ahnung, was der Anbieter nun für Freiheiten hat.Vodafone und die Deutsche Telekom betreiben beispielsweise Informationsseiten, mit denen sie bewusst die NE4-Betreiber ansprechen.Tatsache bei uns: Eine Wohnungsbaugesellschaft mit 1500 Wohnungen hat das komplette Kabel, Glasfaser, Koax und Kupfer (DSL) an einen dritten Anbieter abgetreten. Dieser verlangt jetzt von jedem eine Kabelgebühr für das Koaxkabel für 10 Euro pro Monat. Darin sind die Durchleitungsgebühren für das Internet (DOCSIS) enthalten und man bekommt das Signal von Vodafone (TV) durchgeleitet. Alternativ kann man seinen Vertrag direkt bei Vodafone für 15 Euro anstatt normal für 13 Euro bekommen. Wer das nicht will, dem wird das Kabel abgeschaltet. Was laut "Presseerklärung" so heißt, werden die Durchleitungsgebühren für Glasfaser und Kupfer (DSL) dem Internetanbieter direkt in Rechnung gestellt. Nun stellt sich die Frage: Geht das alles überhaupt, dass ein Eigentümer sein Hauskabel einfach vermieten kann und die Mieter dann Schuldner dieser Firma werden, wenn sie Signale über die hausinternen Leitungen nehmen?
Ferner müsste man sich in Zukunft fragen, inwieweit denn die Freiheit geht. Kann ich an meinem Standort wirklich jeden Anbieter wählen, der verfügbar ist und der NE4-Betreiber muss das Signal durchleiten?
Ist das überhaupt erlaubt?
Momentan ist es in der Tat noch völlig unklar, ob das Geschäftsgebaren der NE4-Betreiber in diesem Fall erlaubt ist oder nicht. Denn wenn die NE4-Betreiber den Hausbewohnern wieder einen kostenpflichtigen TV-Kabelanschluss aufzwingen, nur um Internet und Telefon darüber erhalten zu können, würde das die Abschaffung des Nebenkostenprivilegs konterkarieren.
Möglicherweise muss man bei dieser Frage auch unterscheiden zwischen uralter und seit Jahrzehnten bestehender TV-Kabeltechnik und neu verlegten Glasfasern im Haus. In § 149 Abs. 5 TKG ist zu lesen, dass der NE4-Betreiber eine Mitnutzungs- bzw. Durchleitungsgebühr vom Endkunden/Hausbewohner nur verlangen kann, wenn er seit Inkrafttreten des Gesetzes Investitionen an der NE4 vorgenommen hat (z. B. Glasfaserausbau im Haus), möglicherweise nicht aber für die bestehende und teils Jahrzehnte alte Koaxkabel-Installation.
Ob diese Auslegung des Gesetzes richtig ist, wird aktuell von Verbraucherschützern auch anhand der bisher aufgetretenen Verbraucherfälle geprüft. teltarif.de hat zu dem ganzen Themenkomplex mit den NE4-Betreibern und der Durchleitungsgebühr auch eine Anfrage an die Bundesnetzagentur gesandt. Was die BNetzA dazu sagt, lesen Sie in einem separaten Artikel.
Wenn das Nebenkostenprivileg ausläuft und Hausbewohner bewusst kein Kabel-TV mehr wollen, dann schickt der Netzbetreiber oft einen Techniker, um den Anschluss abzuklemmen. Aber muss man ihn überhaupt in die Wohnung lassen?