Chip-Netztest: Schweiz ist Deutschland sehr weit voraus
Regelmäßig testet das Online- und Printmagazin Chip die Qualität der Mobilfunknetze in Deutschland. Kürzlich ist Chip wieder über die Grenzen gegangen und hat sich die Schweiz (und Österreich) angeschaut. Die Ergebnisse sind für alle deutschen Netzbetreiber eine schallende Ohrfeige.
Beste Netze im deutschen Sprachraum
"Die Schweizer haben die besten Netze im deutschen Sprachraum. Punkt." Das stellt die Chip gleich zur Einleitung klar.
Gemeinsam mit dem Unternehmen Net Check wurde das Netz auf Testfahrten mit dem Auto, mit der Eisenbahn und zu Fuß (mit dem Messrucksack) untersucht.
Hohes 5G-Niveau bestätigt
Das hohe Niveau, so stellt die Chip fest, habe sich auch in diesem Jahr bestätigt. Der Schweizer Marktführer Swisscom habe mit einem "exzellenten Ergebnis" Platz eins erreicht, dahinter habe es ein "hartes Duell" zwischen den Anbietern Sunrise und Salt gegeben.
Beim Ausbau von 5G lag die Schweiz von vorneherein weit vorne, 5G ist dort längst Alltag. Dabei hatte es zunächst eine intensive Diskussion über die "angeblich höhere Strahlenbelastung" gegeben, doch die Mehrheit der Schweizer plädiert längst für den Aufbau weiterer 5G-Antennen.
Alle Tests mit aktivem 5G durchgeführt
Schon deswegen wurden alle Tests mit aktivierter 5G-Funktion durchgeführt.
Drei Anbieter gibt es in der Schweiz: Die Swisscom als Nachfolger des ehemaligen "incumbent" Monopolanbieters (früher Swiss PTT), dann die unter dem Namen "diax" gestartete Sunrise, die heute zum UPC-Liberty Konzern gehört, und die als Orange Swiss gestartete Firma Salt, die dem französischen TK-Unternehmer Xavier Niel gehört, der in Frankreich, Monaco, dem Kosovo und weiteren Ländern aktiv ist.
Chip gab allen drei Anbietern "sehr gute" Schulnoten, wobei die Swisscom mit einem "exzellenten Netz" herausrage.
Mobilfunk in Zügen? Selbstverständlich
Download-Qualität in Zügen im Vergleich: Swisscom (Schweiz) und A1 (Österreich) vorne, Deutschland belegt die letzten Plätze
Grafik: chip.de
Wer in Deutschland in den Zug steigt, findet dort vielleicht ein WLAN/WiFi-Netz, das aber für ernsthaftes Arbeiten nicht immer nutzbar ist. Mobilfunk kann je nach Strecke und gewähltem Zugmodell ein Glücksspiel sein. In der Schweiz hingegen sind selbst Tunnelstrecken mit Mobilfunk versorgt, dessen Signale bis weit in die Züge hinein reichen.
Weder in Österreich und "schon gar nicht in Deutschland" habe der Mobilfunk eine "so hohe Qualität" erreicht, stellt die Chip fest.
In Fernzügen gewann die Swisscom mit der Schulnote 1,08, gefolgt von Salt (Note 1,30) und Sunrise (1,32). Alle drei Schweizer Netze seien somit besser "als ihre Pendants in Österreich und Deutschland" gewesen.
Auto und Zug ähnlich gut
Die sogenannten "Zuverlässigkeitswerte" sehen zwischen Zug und Auto quasi ähnlich gewesen. Zum Test wurde ein 4K-Livestream auf YouTube abgerufen. Den schlechtesten (!) Wert lieferte Sunrise mit 99,71 Prozent – "es funktioniert also fast immer", stellten die Tester fest.
In Österreich liege der Bestwert auf 98,29 Prozent. Österreichs Marktführer "A1" hab mit 96,20 Prozent die niedrigste Quote erzielt.
Nach einem Blick nach Deutschland waren die Tester ernüchtert. o2-Telefónica schaffte nur 93,61 Prozent. Dabei habe sich die Netzqualität in den deutschen ICE-Zügen schon verbessert, aber der Weg zum Schweizer Niveau sei noch sehr weit.
Die schlechtesten (!) zehn Prozent aller Downloads lagen bei der Swisscom bei 50 MBit/s – und bilden somit den Bestwert im deutschsprachigen Raum.
Salt schaffte 22 MBit/s, da war die österreichische A1 besser. Sunrise fiel bei Autofahrten oder Rucksacktests weit zurück.
Mit 5G in der Schweiz unterwegs
Die Verfügbarkeit von 5G wurde mit einem "TSME6-Scanner", vom Messtechnik-Spezialisten von Rohde&Schwarz entwickelt und hergestellt, erfasst.
Dieses Jahr waren die Tester andere Strecken als beim letzten Mal gefahren, deswegen seien 1:1-Vergleiche zum Vorjahr nicht möglich, betont Chip.
Spezielle Tests auf hohen Frequenzen
Nur bei den hohen Frequenzen bei 3600 MHz (n78) haben die Netzbetreiber genug Funkspektrum, um Downloadgeschwindigkeiten von über 1 GBit/s zu ermöglichen - aktuell ein zentraler Vorteil von 5G gegenüber LTE. In der Schweiz ist - im Gegensatz zu Österreich - 5G auf Band n78 nicht in jeder Großstadt bei allen Netzbetreibern gleich gut ausgebaut. Fünf Schweizer Großstädte wurden genauer untersucht, Lausanne ist das klare Schlusslicht geblieben.
Zwar hätten in Lausanne besonders Salt und Sunrise gegenüber dem Vorjahr Fortschritte erzielt, aber Swisscom zog mit 54 Prozent (Verfügbarkeit) von dannen.
5G Verfügbarkeit in Schweizer Großstädten. Swisscom führend, nur in Zürich und Genf ist Sunrise ein Hauch besser.
Grafik: chip.de
In Österreich kamen die dortigen Netzbetreiber in den fünf größten Städten auf über 90 Prozent.
Bekanntlich haben die Frequenzen bei 3600 MHz(n78) nur eine geringe Reichweite von mehreren hundert Metern, aber die Schweizer Netzbetreiber haben es entlang von Autobahnen und Landstraßen relativ häufig installiert.
Der Swisscom stehen im Band n78 insgesamt 120 MHz zur Verfügung, Sunrise kann 100 MHz einsetzen, Salt muss mit 80 MHz klarkommen.
Chip hat reine n78-Downloads bewertet. Das Ergebnis ist drastisch: Swisscom schaffte einen Schnitt von 587 MBit/s - dann folgten Sunrise mit 349,5 MBit/s und Salt mit 199 MBit/s. Im Vergleich zum Vorjahr konnte nur die Swisscom signifikant bessere Werte erzielen.
Für deutsche Kunden und deren Netzbetreiber ist das Schweizer Ergebnis eine schallende Ohrfeige. Mit deutlicher Schadenfreude berichtet das Schweizer Magazin 20min über den Test.
Derweilen bauen die deutschen Netzbetreiber weiter ihre Netze aus.